
Siedlungen und Stadtquartiere in Holzbauweise. Deutschland im Vergleich zu den europäischen Nachbarländern: Standards, Baukosten und Umsetzungsempfehlungen.
Das Projekt wurde finanziert mit Mitteln des Bundesbauministeriums vertreten durch das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Rahmen des Förderprogramms „Zukunft Bau“ (Projektnr. 10.08.18.7-20.40)
Ergebnisse
Europaweit wurden 118 großvolumige Wohnbauprojekte mit mehr als 100 Wohneinheiten identifiziert, von denen 47 in Deutschland liegen und 83 im Jahr 2022 fertiggestellt wurden (Stand 12/2022). Die 118 untersuchten Holzwohnbauprojekte sind mit Angaben zur Holzbauweise, Größe, wenn verfügbar mit Baukosten, Akteuren und Fotos in Steckbriefen dokumentiert und abrufbar unter: https://hwb.sdg21.eu/projekte/
Die Recherchen im Rahmen dieser Studie haben gezeigt, dass die Baukosten in (Fach-)Veröffentlichungen häufig wenig präzise angegeben werden. Welche Kostengruppen (KG) berücksichtigt werden oder ob sich die Kostenangaben auf die Bruttowohn-, Nettowohn- oder Nutzfläche beziehen, wird oft nur unzureichend dargestellt. Häufig werden auch Nettopreise angegeben, d.h. Angaben ohne Umsatzsteuer. Eine genauere Betrachtung ist daher ratsam und notwendig. Die Kostenanalyse bezieht sich daher ausschließlich auf die Baukosten repräsentativer deutscher Projekte innerhalb der KG 300 und 400, bezogen auf die Brutto- und Nettogrundfläche (in Euro/m2).

Die Fragestellung dieser Studie, ob das Bauen mit Holz grundsätzlich teurer ist als das Bauen mit mineralischen Baustoffen, konnte nur bedingt beantwortet werden. Dies liegt daran, dass es sich bei den Siedlungen und Quartieren in Holzbauweise überwiegend um Prototypen für die jeweiligen Akteure handelte, so dass Optimierungs- und Rationalisierungseffekte kaum genutzt werden konnten. Erstaunlicherweise gibt es noch keine zentralen Akteure. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass das Thema Geschosswohnungsbau in Holzbauweise noch relativ jung ist. Eine allgemeingültige Aussage zu den Kosten im Segment des großvolumigen Wohnbaus in Holzbauweise kann auf dieser Basis nicht getroffen werden. Dennoch geben die ermittelten acht geprüften und bereinigten Kostendaten von insgesamt rund 1.100 Wohneinheiten einen Eindruck davon, in welchem Kostenrahmen der Holzwohnbau in den letzten zehn Jahren realisiert werden konnte.

Die im Rahmen der Kostenanalyse erhobenen Datensätze lassen den Schluss zu, dass Holz- und Holz-Hybridbauten hinsichtlich der Herstellungskosten um 5 bis 20 % teurer sind als reine Massivbauten. Dieser Prozentsatz kommt den 10 bis 15 % recht nahe, die derzeit häufig von Akteur:innen der Wohnungswirtschaft und der Holzbaubranche genannt werden.
Im einzelnen waren es diese Holzwohnbau-Anlagen (in der Reihenfolge nach Baujahr wie in Abb.2; alle Angaben sind inflations- und standortbereinigt):
Hollerstauden, Ingolstadt 116 WE, Baujahr 2011:
https://hwb.sdg21.eu/projekt/holzbausiedlung-ingolstadt/
Dantebad 1, München, 100 WE, Baujahr 2016:
https://hwb.sdg21.eu/projekt/wohnen-am-dantebad-in-muenchen/
Berlinovo, Berlin, 129 WE, Baujahr 2017:
https://hwb.sdg21.eu/projekt/berlinovo-apartments-fuer-studierende-in-berlin/
Am Ostseeplatz eG, Berlin, 102 WE, Baujahr 2018:
https://hwb.sdg21.eu/projekt/wohnungsbaugenossenschaft-am-ostseeplatz-e-g-in-berlin/
Siepenfeld, Bochum, 258 WE, Baujahr 2020:
https://hwb.sdg21.eu/projekt/studierendenwohnanlage-siepenfeld-in-bochum/
Quartier WIR, Berlin, 207 WE, Baujahr 2020:
https://hwb.sdg21.eu/projekt/quartier-wir-in-berlin-weissensee/
Eine vertiefende Befragung dieser Akteur:innen lieferte darüber hinaus Hinweise auf grundsätzliche Schlüsselfaktoren einer optimierten Planung und Realisierung von großvolumigen Wohnbauprojekten in Holzbauweise, die als Rationalisierungspotenziale des Holzbaus angesehen werden können. Dieses Rationalisierungspotenzial, das vor allem mit den Stichworten Serialität und Standardisierung charakterisiert werden kann und die konsequente Anwendung von standardisierten Grundrissen im Wohnungsbau einschließt, wurde von den Akteur:innen mit 10 bis 20 % beziffert. Hinzu kommt die Bedeutung des hohen Vorfertigungsgrades im Holzbau, der in der Lage ist, seine Bauteile witterungsunabhängig in der Halle zu produzieren, wobei durch den Einsatz von Building Information Modeling (BIM) Probleme bzw. Kollisionen zwischen den Gewerken von der Baustelle in die Planungsphase verlagert werden, was zusätzlich zu einer deutlichen Reduktion der Baukosten führt.
Auch wenn bei den betrachteten 8 Beispielen Kostenunterschiede von 5 bis 20 % bei der Herstellung von großen Wohnanlagen in Holzbauweise festgestellt wurden, gibt es einen wesentlichen Unterschied zwischen den Baustoffsektoren: Während die mineralischen Baustoffhersteller die Vorfertigungs- und Rationalisierungseffekte bei der Errichtung von großen Wohnanlagen, Siedlungen und Quartieren weitgehend optimiert und ausgeschöpft haben, haben die Holzbauunternehmen aufgrund der erst in den letzten Jahren gestiegenen Nachfrage erst jetzt die Möglichkeit, die Vorfertigungs- und Rationalisierungseffekte im Geschoss- und Massenwohnbau in größerem Umfang zu nutzen.
Ein weiterer wichtiger Aspekt für eine kostengünstige Umsetzung scheint die Art der Trägerschaft zu sein. Denn das untersuchte Beispiel „Am Ostseeplatz“ eG in Berlin, das nachweislich eine vergleichbare Wohnqualität zu gleichen Kosten wie der mineralische Zwilling realisiert hat, ist als Wohnungsbaugenossenschaft ein gemeinnütziges Wohnungsunternehmen. Auch bei anderen genossenschaftlichen Wohnbauprojekten in Holzbauweise in der DACH-Region Deutschland, Schweiz und Österreich wurden kostengünstige und gestalterisch ansprechende Lösungen gefunden.
Fazit
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der zunehmende politische Druck durch die europäische und deutsche Gesetzgebung hinsichtlich nachhaltiger Investitionsstrategien (Stichwort ESG) die gesamte Wirtschaft innerhalb der EU zunehmend beeinflussen wird. Die Signale des europäischen Green Deal werden daher auch die Bau- und Wohnungswirtschaft tiefgreifend verändern, ebenso wie die Akteur:innen der Holzbaubranche, die die vorhandenen Rationalisierungspotenziale innerhalb der Planung und Ausführung von Holz- und Holzhybridbauten mehr und mehr ausschöpfen werden. In einigen Jahren könnte der Holzbau bei weiter steigender Nachfrage und einer Anpassung der Holzbranche an den Geschosswohnungsbau sogar deutlich günstiger in der Erstellung sein als mineralische Bauweisen.
Laufzeit: Januar 2021 bis Dezember 2022
Leitung: Prof. Dipl.-Ing. Architekt Ludger Dederich (HS Rottenburg)
Projektbearbeitung: Holger Wolpensinger, Stephan Klein, Lara Glowatzki, Carolin Thomann, Roman Schaurhofer, Amelie Terbuyken und Kristina Viehmann
In Zusammenarbeit mit Miriam Koudmani, Berlin
Quellenangabe: Dederich, Ludger; Wolpensinger, Holger; Klein, Stephan (2022): Siedlungen und Stadtquartiere in Holzbauweise. Motive und Kosten realisierter Großprojekte. BBSR-Online-Publikation. Bonn, ISSN 1868-0097
Link zur Webseite der Studie mit 118 Projektsteckbriefen
www.holzwohnbau.eu bzw. www.hwb.sdg21.eu
pdf-Download der HWB-Studie
Abschlussbericht (157 S.)
www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/veroeffentlichungen/bbsr-online/2024/bbsr-online-19-2024.html